Thursday, 22. September 2011
Schon seit einiger Zeit gehe ich mit dem Gedanken schwanger hier mal einiges über die Kirche zu schreiben. Nicht über die Kirche als soziologische faßbare Organisation von fehlbaren Menschen, sondern über die Kirche in Gänze, ohne sie je ganz umfassen zu können.
Es soll um die Kirche als Kirche gehen, auch wenn das blöd klingt. Erst einmal ein paar Vorbemerkungen:
Was heißt Kirche? Kirche kommt vom griechischen “kyriake”, was soviel heißt wie “dem Herrn (zu)gehörig” (sagt ja auch schon mal etwas über ihren Auftrag aus, nicht wahr?).
In der Hl. Schrift wird aber das, was wir als “Kirche” übersetzen, “ekklesia” (latinisiert ecclesia) genannt. “kalein” ist das Verb “rufen”, “ek” steht für “ex”, also”raus, heraus” (eben ekklesia statt exklesia). Die Ekklesia (Ursprung für “église” und “iglesia”) ist also die Versammlung der Herausgerufenen. Im Alten Testament (AT) steht für diese Bedeutung das hebr. Wort qáhál, die jüdische Übersetzung des AT ins Griechische (die sog. Septuaginta) übersetzt diesen Begriff eben mit ekklesia.
Und was war jetzt qáhál bzw. ekklesia im AT? Es war eine Bezeichnung für Israel, für das Volk Gottes.
Schon immer sah sich die Kirche daher als das Neue Volk Gottes (was das letzte 21. Ökumenische Konzil in dem Dokument “Lumen Gentium” noch mal bestätigt hat) - nur sind einige Konsequenzen dieser Sichtweise im modernen Verständnis vollkommen verschütt gegangen.
Eine davon möchte ich nun behandeln.
Es geht um den Begriff des “Volkes”. Im Alten Testament war es immer klar, nie wurde anders gebetet: der Herr wendet sich dem ganzen Volk zu als seinem Bundespartner. Es gibt bspw. keinen Psalm, bei dem jemand nur für sich betet (auch wenn dies König David für sich tut, macht er das im Interesse seines Volkes). Das ganze Volk sitzt im gleichen Boot - das ganze Volk erfährt Gottes Nähe oder eben (nur zeitweise) nicht. Die Identifikation mit dem Volk als unaufgebbare Bindung ist bis heute im Judentum groß.
Die Kirche als Neues Volk hat das natürlich übernommen, wie hätte sie es anders machen können?
Es geht also nicht so sehr um meine Erlösung als individuelles Heilsereignis, nicht so sehr um die Frage, ob ich jetzt Jesus ins Herz aufnehme oder dem Glauben intellektuell zustimme, sondern um die Frage: gehöre ich zum Volk Gottes? Dieses Volk Gottes wird als ganzes erlöst, so viel ist durch die Zusage Jesu sicher. Die Frage ist also: gehöre ich dazu?
Warum dann beichten (da fällt mir ein, ich müßte mal wieder …)? Die Beichte ist da, damit man wieder zur Kirche dazugehört - denn mit einer schweren Sünde stellt man sich außerhalb der Kirche, auch wenn man als gläubiger Mensch noch Glied der sichtbaren Kirche bleibt. Um zur Reihe der Erlösten, zur Kirche zu gehören, bedarf es also der Hinwendung zu Gott. Es können Leute draußen sein (außerhalb der Kirche), die drin sind (also formell Mitglieder) und umgekehrt, wie schon Augustinus feststellte.
Nur aufgrund dieses Verständnisses kann die Kirche von sich sagen, rein und makellos zu sein - weil die Sünde vom Volk Gottes ausschließt, nicht weil die Kleriker bessere Menschen wären.
Im Judentum gibt es nun die Individualbeichte nicht, sondern es gibt - eben für das ganze Volk der Erlösten - den Tag “Jom Kippur“.
Warum haben wir den nicht, würde doch manches vereinfachen?
Wir haben so einen Tag nicht, weil jemand gekommen ist, der alle Jom-Kippur-Hohepriester in den Schatten gestellt hat, der selbst nicht wie im Judentum stellvertretend die Vergebung der Sünden durch ein Opfer empfing, sondern der selbst als Opfer die Vergebung der Sünden schenkte, weil er diese Sünden auf sich nahm und für sie litt. Es dürfte klar sein von wem die Rede ist (nicht zuletzt der Hebräerbrief ist voll davon) …
Deswegen vergibt der Empfang der Eucharistie Sünden, weil Er die Vergebung schenkt (wie es im Credo bekannt wird und wie es doch viele kaum glauben).
Deswegen ist die Hl.Messe eine wahre Opfergabe, weil sie immer wieder aufs Neue durch den Einen Hohepriester diese Vergebung schenkt und somit jeder Tag Jom Kippur sein kann.
Deswegen wird in jeder Hl. Messe gebetet, daß diese Eucharistiefeier für die ganze Kirche gefeiert wird.
Deswegen spricht Paulus von dem Einen Leib, der Kirche, mit seinen vielen Gliedern, die alle untereinander verbunden sind und eines Sinnes sein sollen.
Und leider deswegen findet man in den protestantischen Übersetzungen die ekklesia mit “Gemeinde” übersetzt, damit man der ganzen Schwere (und leider auch Schönheit, Tiefe und Fülle) der Kirche aus dem Weg gehen kann …