Friday, 08. February 2013
Nachdem schon fast alles zu dem Kölner Fall des mutmaßlichen Vergewaltigungsopfers gesagt wurde, nur noch nicht von jedem, sehe ich mich mittlerweile gezwungen, auch mal was dazu zu schreiben.
Als Arzt (wenn auch kein Frauenarzt) kenne ich vielleicht ein paar Informationsquellen, die selbst dem Erzbischof von Köln - meinem Ortsbischof - nicht zugänglich gemacht werden und die daher zu seiner Stellungnahme führen, die mich doch etwas irritiert hat, da diese Stellungnahme, kurz gesagt, wissenschaftlich nicht haltbar ist (zugegebenermaßen bleibt der Kardinal klugerweise sehr vage). Es gibt keine Pille danach, die sicher die Einnistung nicht verhindert! Das werfe ich ihm nicht vor, aber vielleicht kann ihm das jemand mitteilen, der zufällig über diesen Beitrag stolpert. Dazu gleich mehr.
Erstaunlich fand ich den Wortlaut einer gemeinsamen Erklärung des Bundesverbandes der Frauenärzte (bvf) und der Deutsche Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin (DGGEF). Dort ist folgendes zu lesen:
Liebe KollegInnen, leider wird in diesen Tagen viel Unsinn über die Pillen danach, EllaOne und Pidana, verbreitet. Einzig richtig ist, dass beide Pillen den Eisprung verschieben und somit die Spermien keine Gelegenheit finden, eine Eizelle zu befruchten.
Das klingt vielleicht überzeugend, weil es von Fachgesellschaften stimmt, wird dadurch aber nicht korrekt. Medizinische Erkenntnis beruht auf Belegen (Evidenz) und nicht auf Autoritäten (Eminenz). Für eine wissenschaftliche Stellungnahme ist der Sprachduktus zudem sehr ungewöhnlich (mal neutral formuliert).
Unsinn wurde vielleicht verbreitet, aber es ist eben nicht einzig richtig, daß die beiden genannten Mittel (Wirkstoffe Ulipristalacetat bei EllaOne und Levonorgestrel bei Pidana) den Eisprung verhindern. Sicher tun sie das, weil beide Mittel, EllaOne noch viel mehr als Pidana, das für Eisprung und Schwangerschaft wichtige Hormon Progesteron ver- bzw. behindern.
Soweit so nicht abtreibend. Aber warum bin ich der Meinung - und zwar nicht allein - daß dennoch beide Mittel, auch das favorisierte EllaOne, abtreibende Funktion haben, weil sie die Einnistung in die Gebärmutter des sich entwickelnden Menschen verhindern?
In der Fachinformation (auch als Beipackzettel bekannt) von EllaOne als dem Ulipristalactet, findet sich der Hinweis, daß das Präparat auch noch 5 Tage(!) nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr (GV) wirkt. Sollte der Eisprung am Tag oder kurz nach dem GV stattgefunden haben, so kann das Präparat, obwohl es trotzdem wirkt(!), diesen natürlich nicht rückwirkend verhindern. Gleichzeitig dauert es keine fünf Tage bis zur Befruchtung, da die Eizelle nur weniger als einen Tag nach Eisprung überhaupt “befruchtungsfähig” ist (seltsames Wort, aber macht die Sache klar). Deswegen muß es eine andere Wirkweise haben - nämlich die Verhinderung der Einnistung, auch Nidationshemmung genannt.
Die Schleimhaut der Gebärmutter nennt man übrigens Endometrium, dort würde sich das Ei einnisten und diese Schleimhaut wird normalerweise regelmäßig abgestoßen - mit folgender Blutung, wenn auf den monatlichen Eisprung keine Befruchtung folgt, für Frauen ein bekanntes Phänomen.
Und nun gibt es noch eine Organisation, die im Gegensatz zu den oben genannten keine finanziellen Interessen an der Fortpflanzung oder ärztlichen Konsultation hat, die übergeordnete “Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft”. In deren Infoschreiben zu EllaOne findet sich folgender Passus:
Ulipristalacetat ist ein oral wirkender synthetischer Progesteron-Rezeptor-Modulator mit Bindung am menschlichen Progesteron-Rezeptor. Als Wirkungsmechanismus werden die Hemmung oder Verzögerung der Ovulation sowie eine Beeinflussung des Endometriums dargestellt. Eine Aussage zur Sicherheit, sollte das Mittel während einer bestehenden Frühschwangerschaft eingenommen werden, kann nicht getroffen werden. Eine Schwangerschaft muss daher vor Einnahme ausgeschlossen werden.
Da haben wir es, eine “Beeinflussung des Endometriums”, also die Verhinderung der Einnistung, was nichts anderes ist als eine Frühabtreibung (wie auch Kardinal Meisner feststellt).
Deswegen werde ich auch weiterhin kein Rezept für die Pille danach, welche auch immer, ausstellen.
Nebenbei sei noch erklärt, warum ein Schwangerschaftstest (SS-Test) gemacht werden muß vor der Einnahme: niemand kann garantieren, daß es nicht zu Fehlbildungen des Kindes kommt, wenn die SS schon besteht. Viel wahrscheinlicher ist ein Frühabort (also auch Abtreibung), da ein starker Abfall des Progesteron eben häufig dazu führt - wie jede weiß, die schon mal eine ungewollte Fehlgeburt miterleben mußte. Der SS-Test mißt ja das ß-HCG, was wiederum nach Einnistung in der Gebärmutter produziert wird, also diese voraussetzt. Daher bedeutet ein neg. ß-HCG auch eigentlich nicht “nicht schwanger”, sondern “nichts eingenistet”.
Noch ein sehr wichtiger Nachtrag: in diesem Interview mit dem Domradio spricht Dr. Albring, Vorsitzender des oben genannten bvf, von neuen Studien der letzten zwei Jahre, die sicher gezeigt hätten, daß keine Nidationshemmung stattfindet. Da ich immer skeptisch bin, wenn von “neuen Studien” die Rede ist, ohne daß diese benannt werden - nun ist vielleicht so ein Interview auch nicht der Zeitpunkt dafür - habe ich gerade selber mal geschaut.
Ich weiß nicht, ob Dr. Albring was aktuelleres als November 2012 vorzuweisen hat, aber vor 4 Monaten erschien in dem “Cleveland Clinic Journal of Medicine” der Artikel “Emergency contraception: Separating fact from fiction“, also wie gemacht für diese Debatte.
Dort heißt es zu Ulipristalacetet (bei uns EllaOne), Erklärungen in [ ] dazu von mir:
Ulipristal is structurally similar to mifepristone [die Abtreibungspille RU 486 oder Mifegyne], and its mechanism of action varies depending on the time of administration during the menstrual cycle. When unprotected intercourse occurs during a time when fertility is not possible, ulipristal behaves like a placebo. When intercourse occurs just before ovulation, ulipristal acts by delaying ovulation and thereby preventing fertilization (similar to levonorgestrel [Pidana]). Ulipristal may have an additional action of affecting the ability of the embryo to either attach to the endometrium or maintain its attachment, by a variety of mechanisms of action. Because of this, some in the popular press and on the Internet have spoken out against the use of ulipristal [was nachvollziehbar ist].
The ACOG considers pregnancy to begin not with fertilization of the egg but with implantation, as demonstrated by a positive pregnancy test [das ist bekanntlich nicht die Sicht der Kirche und die der Biologie, sondern eine Frage der Nachweisbarkeit].
Of note, the copper IUD [bekannt als Spirale oder Intrauterinpessar] also prevents implantation after fertilization, which likely explains its high efficacy.
Women who have detailed questions about this can be counseled that levonorgestrel works mostly by preventing ovulation, and that ulipristal and the copper IUD might also work via postfertilization mechanisms. However, they are not considered to be abortive, based on standard definitions of pregnancy.
If a woman is pregnant and she takes levonorgestrel-based emergency contraception, this has not been shown to have any adverse effects on the fetus (similar to oral contraceptives).