Wednesday, 04. November 2009
Franziskus fühlte sich sehr denen verbunden, die, wie er selbst anfangs, Teil der Laien-Büßerbewegung waren und seinem Vorbild folgen wollten - also die Männer und Frauen, die den späteren Dritten Orden bilden.
Um ihnen mitteilen zu können, wie er dachte, besuchte er sie wenn möglich. Da das - rückwirkend gesehen glücklicherweise - nicht immer ging, schrieb er auch Briefe “an die Gläubigen”.
Während er die Ordensregel des Ersten Ordens (klassischer Orden mit Ehelosigkeit, Armut und Gehorsam) als etwas schrieb, das an andere gerichtet war - er schreibt hier von “den Brüdern” - so findet sich insbesondere im 2. Brief an die Gläubigen eine viel engere Beziehung zu den Adressaten.
Da Franziskus sich wie alle Christen zu “den Gläubigen” zählte, ist dieser Brief voll von “wir müssen”. Beide Worte sind wichtig: das “wir” drückt aus, daß er einer von den Gläubigen war, daß er an sich den gleichen Anspruch wie an alle Christen stellte (an Ordensleuten setzt er aber explizit ein höheres Maß an, weil sie der Welt entsagt hätten - also mehr Zeit und Kraft für die Hingabe an Gott hätten). Das “müssen” deutet an, daß diese Aufforderungen für ihn keine mögliche Option darstellen, sondern aus der Entscheidung für Christus geradezu logisch erscheinen.
Ein Beispiel aus dem 6. Kapitel des 2. Briefes an die Gläubigen:
32 Wir müssen auch fasten und uns enthalten von Lastern und Sünden (vgl. Sir 3,32) sowie vom Überfluß an Speisen und Trank, und wir müssen katholisch sein.
33 Wir müssen auch häufig die Kirchen aufsuchen und den KIerikern Hochachtung und Ehrfurcht erweisen, nicht allein um ihrer selbst willen - wenn sie Sünder wären - sondern wegen des Amtes und der Verwaltung des heiligsten Leibes und Blutes Christi, den sie auf dem Altare opfern und den sie empfangen und austeilen.
34 Und wir alle sollen fest wissen, daß niemand gerettet werden kann als nur durch die heiligen Worte und das Blut unseres Herrn Jesus Christus, welche die Kleriker sprechen, verkünden und darreichen.
35 Und nur sie allein dürfen diesen Dienst ausüben und niemand sonst.
36 Besonders aber sind die Ordensleute, die der Welt entsagt haben, verpflichtet, noch mehr und Größeres zu tun, aber jenes nicht zu unterlassen (vgl. Lk 11,42).
Es gibt noch deutlich mehr “wir müssen” Sätze, doch ein jeder, der sich mit Franziskus beschäftigt und von seiner Art der Christus-Nachfolge angezogen ist, weiß, daß diese Maßgaben schwierig sind, daß wir oft scheitern, daß auch er selbst, wie er zugibt, nicht immer seinem Ideal treu blieb.
Was bedeutet hier in diesem Zusammenhang das lapidare “und wir müssen katholisch sein”?
Natürlich bedeutet das zuerst einmal, historisch aufgrund der verschiedenen außerkirchlichen Armutsbewegungen zu der damaligen Zeit, daß der Gläubige an sich in der Kirche zu verweilen habe, da nur sie die sicheren Quellen des Heiles, die Sakramente, verwalten könne.
Es bedeutet aber noch weitaus mehr. Es heißt, daß auch der noch so Franziskus-Begeisterte nicht auf die Idee kommen darf, daß sein Verständnis von Christ-Sein mit allem Franziskanischen dazu das Nonplusultra wäre, daß dieser Weg der einzig wahre christliche wäre. Das ist nicht leicht, doch letztlich ist es eine Frage der persönlichen Berufung.
Wozu “die Kirche” berufen ist, vermag der Einzelne nicht so einfach zu beantworten, da sie dem menschlichen Zugriff eigentlich entzogen ist.
Wie “die Kirche” zu sein habe, kann kein Nachfolger Christi in den Fußspuren von Franziskus wirklich sagen. Er kann nur sagen, wie er selbst zu sein hat.
(Auch ich gebe zu, Wünsche habe ich natürlich an die Kirche, diese hier auch mehrfach geäußert).
Doch kein Franziskaner wird ernsthaft behaupten können, daß es für das Ausleben der franziskanischen Berufung in der Kirche nicht ausreichend Raum gäbe. Die Leitplanken der jeweiligen Ordensregel (Erster bis Dritter Orden) sind so weit, daß man es wirklich absichtlich darauf ankommen lassen muß, will man da ständig anstoßen.